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Verlieren, entdecken - und Kunst:
Landschaft in Israel

Ardyn Halter, Teil zwei von zwei Teilen

Das Image des idealisierten Israel drückt sich in volkstümlicher Musik (die sich häufig der Gedichte von Chaim Nachman Bialik, Saul Tschernikovsky und Natan Alterman als ihrer Barden bedient) ebenso wie in fotografierten oder gemalten Bildern aus.

Diese Bilder und Gedichte wurden an die nächsten Generationen und an Wellen von Einwanderern weitergegeben, zusammen mit der damals geschaffenen agrarischen und wiederaufgeforsteten Landschaft und mit Fotos, Millionen von Fotos. Denn die Gründungsväter ließen sich sogar noch lieber als wir fotografieren. Sie empfanden das als notwendig, denn ihre Welt war noch nicht von visuellen Bildern überflutet. Die Fotografie stellte eine ernste Sache dar, und die Fotos der ursprünglichen Siedler spiegeln eine Atmosphäre von Moral und Rechtschaffenheit wider. Man mag es als eigenartig empfinden, dass Fotos als ernsthaft und moralisch imponieren, doch diese Sepiadrucke tun es. Die Kibbuzangehörigen in ihren weißen Hemden und Blusen haben glückliche Gesichter, und ihre Freude ist robust, gesund und erdverbunden. Diese Fotos wirken auf uns so weit weg wie den Kibbuzniks der zwanziger Jahre die Drucke des Heiligen Landes der Orientalisten und Pilger des 19. Jahrhunderts vorgekommen sein müssen. Dies ist kaum erstaunlich. Sechzig Jahre lagen zwischen dem Besuch Mark Twains 1860 und der Ankunft Bialiks in Tel Aviv 1922, und etwa zur gleichen Zeit gründete Chaim Sturman die Künstlerkolonie Ein Harod. Und das ist wiederum siebzig Jahre her. Aber anders als die Landschaft um 1860 hat sich die von den Siedlern geprägte erhalten. Wenn man die Fotos der zwanziger und dreißiger Jahre betrachtet, scheinen die Landschaften auf ihnen realer, greifbarer, weil die Empfindungen der frühen Siedler für das Land intensiver waren und die Bilder sich von diesem Engagement nicht trennen lassen.

Die Gemeinsamkeit des Ziels bedeutete Einfachheit, womit auch die Einstellung zur Landschaft vereinfacht wurde. Es galt malariaverseuchte Sümpfe trockenzulegen, Wüste urbar zu machen (auch dann, wenn dies wirtschaftlich unsinnig war), Bäume zu pflanzen, selbst wenn sie dem Ökosystem (welchen Begriff es damals noch nicht gab) fremd waren. In seinem Roman "Der blaue Berg" läßt Meir Shalev einen der Siedler den Verstand verlieren und die Hauptwasserleitung sprengen. Diese Untat eines Geistesgestörten verwandelt das gewonnene Land über Nacht wieder in Sumpf, denselben Sumpf, den die Generation der Eltern trockengelegt hatte. Es ist, als ob die Vergangenheit just unter oder neben der Gegenwart liegt - eine extreme, aber zutreffende Allegorie für die untrennbare Verbindung von Mensch und Landschaft in Israel. Das Gefühl von Unsicherheit und mangelnder Dauerhaftigkeit, das manche für die jüdische Existenz hegen, erstreckt sich hier auf das Land und seine Struktur.

Tatsache und nicht Fiktion ist es, dass der Hulasee in den Jahren nach der Staatsgründung trockengelegt und der Boden von 1955 an landwirtschaftlich genutzt wurde. Dies würdigte man als große Leistung. Ich erinnere mich an die Karte von Israel beim Religionsunterricht in der Schule in England. Drei Wasserbereiche waren dort dargestellt: Hula, der See Genezareth und das Tote Meer. Als ich Israel 1970 zum ersten Mal besuchte, war ich verblüfft, den ersteren nicht zu finden, obwohl ich kreuz und quer durch Obergaliläa streifte. Alles, was ich zu entdecken vermochte, waren Baumwollfelder, Fischteiche und Eukalyptusbäume. Eine kartographische Verschwörung? Auf einmal, vor ein paar Jahren, beschloss man, den Hulasee neu erstehen zu lassen. Und jetzt ist er wieder da. Der Umweltschutz machte das unbedingt erforderlich. Man kann sich die Verwirrung eines Kindes vorstellen, das an die Geographie eines Landes mit zwei Seen gewöhnt ist und nun einen dritten, auf den Karten nicht verzeichneten entdeckt.

Um auf die Frage zurückzukommen, inwieweit eine Landschaft für unsere Vorstellung als registriertes Bild oder als Erinnerung charakteristisch ist: Man mag hier unterscheiden zwischen einem beispielhaften Bild, das einen Ort gewissermaßen typisiert, einerseits, und einem Bild, das uns selbst, uns allein gehört und das uns als Einzelperson vielleicht das liebste ist, andererseits. Der Ort, der sakrosankt ist: Gibt es einen derartigen Ort, den wir um keinen Preis der Welt verändert wissen wollen? Für mich ist ein solcher dort, wo man den Blick auf der Straße von Pardess Hanna nach Binyamina genießt, kommt man auf der langen majestätischen Allee sich abwechselnder Palmen und Gravilea Hasuna-Bäumen einher, die auf beiden Seiten von Avocado- und Orangenhainen begrenzt wird und sich dann öffnet: Weinberge und jenseits die südlichen Ausläufer des Carmelgebirges, Zichron Jaakov (Abb.), im Osten die sanften Hügel von Menashe. Und jedesmal, wenn wir aus dem dunkelgrünen Tunnel, wie bei einer Geburt, ins Offene hinaustreten, ist der Blick ein wenig anders, je nach Licht, Jahreszeit und Stunde.


Es gibt Landschaften, mit denen wir aufgewachsen sind, gelebtes Leben, Orte, die uns bereichert haben und die uns über uns selbst Auskunft geben. Bäume messen unser eigenes Wachsen. Der Arbeiterpionier und frühere Minister Yitzchak Ben-Aharon bekundete in einem Gespräch mit Arnos Oz Bestürzung über den Verlust eines Baumes. Er war jünger als er gewesen. Er erinnerte sich daran, wie er gepflanzt wurde, und er war jahrelang in seinem Schatten gegangen. Nun war das vertraute Mal verschwunden, gefällt von einer jüngeren Generation. In solchen Augenblicken zerreißt es uns das Herz, und wir betrauern in gewisser Weise auch uns und unsere Unbeständigkeit. Alles was bleibt, ist Einbuße, Erinnerung - und Kunst.

Bei den zunehmend populären Auktionen in Israel sind die Preise für die in den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren gemalten Landschaften stark gestiegen. Warum? Jenseits von Marktmanipulierungen ist Sentimentalität im Spiel. Charakteristisch dafür sind die Werke von Reuven Rubin, die als Teile, fast als Diagramme Israels gelten. Die vereinfachenden, pseudonaiven, gefälligen, bukolischen Bilder der Orientalisten erzielen heute erhebliche Preise. Sie stellen eine Art Grundbesitz dar, der so gut erhalten ist wie Neve Zedek. Dieser Stadtteil von Tel Aviv, ursprünglich das Herz der neuen Ansiedlung in der Nähe der Küste, ist heute zunehmend bourgeois, bohémien, eingeschlossen von den Wolkenkratzern des zentralen Geschäftsviertels.

Neve Zedeks östlicher Rand wurde früher begrenzt von Tel Avivs einzigem wirklichen Wahrzeichen von architektonischem Rang, dem Gymnasium Herzliya. Es war ein malerisches Gebäude im Karawanserei-Stil mit einem eindrucksvollen Hauptportal. Das Gymnasium wurde abgerissen, um dem Schalom-Turm Platz zu machen, einem gefälligen Wolkenkratzer mit 36 Stockwerken, der plötzlich alle umliegenden Bauten zwerghaft erscheinen ließ und den Charme der Jahrhundertwende und des Bauhaus zur Spielzeugstadt erniedrigte. Der Abriss war ein Signal. Ein Bruch mit dem Tel Aviv, das weniger als ein halbes Jahrhundert vorher gegründet worden war. Ein Bekenntnis zur Modernität. Und jetzt wird das Herzliya Gymnasium unter den Bildern dieser Epoche heftig begehrt, geschätzt als Emblem, als Ikone von etwas Verlorenem, um so wertvoller, als es nie wiederkehren wird.

Heutzutage muss das Land bezahlen. Die Gesellschaft duldet keine Anreize und Subventionen mehr für eine staatlich beeinflusste Landwirtschaft. Das überlässt die Landschaft dem Markt, wo sie mit den drängenderen Problemen des Wohnungs- und Straßenbaus sowie der Staatssicherheit zu ihrem Nachteil zu konkurrieren hat. Wenn eine Ideologie zusammenbricht oder sich drastisch ändert, füllt sich die Lücke. Der Anbau von Zitrusfrüchten lohnt nicht mehr. Trotz der hohen Qualität der israelischen Shamuti-Apfelsinen können Spanien und Marokko mit ihren billigeren Pflückern die Preise unterbieten. Als Folge wurden Tausende von Morgen mit Orangenplantagen vernichtet. Das gleiche gilt für die Zypressen, vertikale Teilungslinien, der die Landschaft so viel Eleganz verdankt, dunkle Striche, mit denen die quadratischen Orangen- oder Avocadohaine sich absetzten. Zypressen behindern Straßenerweiterungen, und sehr viele wurden gefällt. Es ist von Interesse zu erwähnen, dass Titus bei der Belagerung Jerusalems vor der Zerstörung des zweiten Tempels - eingedenk des psychologischen Effekts der Vernichtung von Bäumen ebenso wie ihres strategischen Nutzens als Versteck von Untergrundkämpfern - Weisung erteilte, jeden einzelnen Baum in Sichtweite des Tempelbergs zu fällen. Zweitausend Jahre später verfügte während der britischen Mandatszeit 1919 der Militärgouverneur Sir Ronald Storrs, daß ohne Genehmigung kein Gebäude abgerissen, errichtet, erweitert oder sonst geändert werden durfte. Teddy Kollek dehnte diese Verordnung auf Bäume innerhalb der Stadt aus.

Bäume sind Maßstab unserer selbst. Allgemein wandelt sich in der Landschaft das, was wir sehen, wenn wir uns wandeln. Dann wachen wir eines Tages auf und bemerken die Änderung im Spiegel, oder wir sind überrascht von der Höhe eines Zitronenbaums, den wir vor sieben Jahren als Reis eingesetzt hatten. Israel befindet sich in einer Zeit des Übergangs. Die Bevölkerung ist im letzten Jahrzehnt um 25 Prozent gewachsen. Die Änderungen sind Monat für Monat erkennbar. So aufregend es ist, so beunruhigt und verwirrt es uns. Die Allee mit Kasuarinen, die ich vor vier Monaten malte, ist verschwunden, sogar die Stümpfe wurden bis auf die Wurzeln abgebrannt und die Wurzeln von einem besonders dafür konstruierten Bagger ausgerissen. Dann wurde der Boden planiert. Andere Bäume sind gepflanzt worden. Der Orangenhain wurde mit rosa Grapefruit gepfropft, denn die westeuropäischen Abnehmer bevorzugen Pampelmusen dieser Farbe zum Frühstück. Die Pfröpflinge sind angegangen. Pfropfen ist das beste Bild, das mir für die Verbindung zwischen unseren Menschen und ihrem Land in den Sinn kommt. Neuer Wuchs, ein verschiedenes Reis, noch eine andere Schicht, die nicht gleich ist und doch mit der schon bestehenden verschmilzt.

Bevor ich mich in Israel niederließ, stellte ich mir seine Landschaft als versengt, verdörrt gelb, stopplig, dornig vor, unter einem grellblauen Himmel, mit stechendem, brennendem, scharfem Licht. Das ist natürlich nur ein Aspekt in einer Jahreszeit. Israel ist schöner, das Licht wechselt ständig, die Jahreszeiten sind nuanciert und unterscheiden sich in Dauer und Charakter von denen in Westeuropa. Um von mir zu sprechen, so brauchte ich zehn Jahre, um hier Landschaften malen zu können. Erst nachdem ich Stecklinge gesetzt, Kinder aufgezogen und dann die ersten Früchte der von uns auf unserer kleinen Farm gepflanzten Bäume geerntet hatte, meinte ich mit dem Malen von Landschaften beginnen zu können. Das kam wohl daher, dass ich das Gefühl brauchte, irgendwie dazuzugehören, und dass mein eigener Pfropf mit Stamm und Wurzeln eins werden musste. Und auch dann noch kommen die chthonischen Kräfte des Landes wie uralte unterirdische Gottheiten hervor und beeinflussen unsere Sichtweise. Die Vergangenheit tritt hinzu, mengt sich in vielfältiger Weise ein und lässt die Dinge nicht an der Oberfläche. Das Land hier ist so tief als weit. Jeder Zentimeter wurde vom Menschen berührt, bebaut, begangen, kultiviert, umkämpft, besungen, geschmäht, im Gebet geheiligt, zerstört und wieder aufgebaut. Ein Gang über den Strand von Caesarea zeigt es. Es gibt dort mehr Scherben als Muscheln.

Meine Frau Asnat ist Töpferin, und letzte Woche las sie nach einem Sturm am Strand unter dem neu entdeckten herodianischen Hypodrom einen großen Klumpen schwarzen Tons auf. Es war leicht gebrannter römischer Ton, etwa zweitausend Jahre lang vom Meer geknetet und äußerst schmiegsam. Sie brachte ihn nach Hause, formte ihn zu einem Kegel und setzte ihn aufs Rad. Jetzt trocknet er vor dem ersten Brand im Ofen. Eine andere Art des Pfropfens.

Aus der "Festschrift aus Israel", herausgegeben 1994 zum 70. Geburtstag von Nils Hansen, ehemals deutscher Botschafter in Israel: Recht und Wahrheit bringen Frieden.

hagalil.com 13-03-2008

 

 
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