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"Nicht das Finden ist das Wichtige":
Wolfgang Hirsch

Rede von Anna Haentjens anlässlich einer Ausstellungseröffnung von Aquarelle & Gouachen von Wolfgang Hirsch in Pinneberg, September 1994

"Meine Damen und Herren, liebe Freunde, liebe Gäste!

Ich möchte Sie, auch im Namen von Wolfgang Hirsch, sehr herzlich zu dieser Ausstellung begrüßen, die heute anläßlich seines im Juli vollendeten 70. Lebensjahres hier im Alten Amtsgericht eröfnet wird.

Und ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, lieber Wolfgang Hirsch, wenn Sie mich gebeten haben, die einführenden Worte zu sprechen.

Wir stehen hier in Räumen, deren Wände Arbeiten eines Künstlers tragen, der von und für sich behauptet, bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sein ideales Bild gemalt zu haben; das Bild, das ihn selbst zufriedenstellt, wie er sagt, ein Bild, das seinen Ansprüchen genügt.

Eine zunächst ungewöhnlich scheinende Aussage eines Menschen, für den die Malerei seit frühester Kindheit die Ausdrucksform ist, um sich der Außenwelt mitzuteilen.


Aufbruch, um 1992

Der am 3. Juli 1924 in Greifswald geborene Wolfgang Hirsch erinnert sich an seine Volksschulzeit in Berlin-Steglitz: "Es fing damit an, daß ich einfach wie Kinder viel kritzelte und Karikaturen machte, und da ich nicht sehr gesprächig war, hielten mich meine Angehörigen für ein bißchen zurückgeblieben, bis sie dann meine Zeichnungen sahen und merkten, daß ich doch 'ne gewisse Beobachtungsgabe hatte. Das wurde dann auch gefördert."

Von 1934-39 besucht Wolfgang Hirsch die Mittelschule der Jüdischen Gemeinde in Berlin, die er auf Grund der Rassenverfolgungen durch die Nationalsozialisten vorzeitig verlassen muß. Die Familie sieht sich gezwungen zu emigrieren.

Der 15-jährige Wolfgang geht allein nach Dänemark und verdient sich seinen Lebensunterhalt in der Landwirtschaft, bis 1943 auch in Dänemark die systematische Verfolgung der Juden einsetzt.


Dänemark, 1940

Ihm gelingt es, nach Schweden zu fliehen, wo er zunächst ebenfalls in der Landwirtschaft tätig ist, bevor er 1945 eine Anstellung als Modelleur in einer Keramikfabrik in Upsala findet. 1948 erhält er an der Fachhochschule für Kunstgewerbe in Stockholm einen Studienplatz, um sich in dekorativer Malerei, bzw. Monumentalmalerei ausbilden zu lassen.

Das Studium kann er aus wirtschaftlichen Gründen nicht beenden, da er inzwischen Frau und Kind zu ernähren hat.

Hirsch versucht zunächst, als freischaffender Künstler zu existieren, bis er eine Arbeit als Zeichenlehrer und Lehrer im Schwedisch für Ausländer an einem Volksbildungsinstitut findet. Von 1960-1974 arbeitet er in Stockholm als Archivar im Verlagshaus Albert Bonnier und kehrt dann nach Deutschland zurück, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen.

Nach langer, erzwungener Pause beginnt Wolfgang Hirsch 1978 wieder zu malen: "Ich hatte immer das Gefühl, da ist noch ein Fünklein unter der Asche, es glimmt noch. Ich hab' immer auf den Tag gehofft, daß es wieder anfängt."

"Am Anfang" nennt er sein erstes Bild nach seiner Rückkehr aus der Emigration, das er wie folgt beschreibt und interpretiert: "Das sind zwei miese Klötze, die aber was wollen."


Am Anfang, 1978

Der Künstler Wolfgang Hirsch hat seine Sprache, seine Ausdrucksform wiedergefunden nach einer Zeit, in der er, wie er sagt, gleichsam in einer Art Vakuum gelebt hatte, die ihn nötigte, selbst das Weinen zu verlernen: "Man hat innerlich zugemacht damals."

Er fand seine Sprache wieder nach einer Zeit, die einem großen Teil seiner Liebsten und Nächststehenden in der Vernichtungsmaschinerie des nationalsozialistischen Regimes das Leben nahm.

Seither ist er täglich auf der Suche, auf der Suche nach seinem, idealen, ihn zufriedenstellenden, den eigenen Ansprüchen genügenden Bild.

Dieses meint er dann geschaffen zu haben, wenn es ihm gelingt, eine Harmonie zu finden für das auf seinen Bildern dargestellte, selbst so genannte Chaos, das die innere Befindlichkeit des Künstlers dokumentiert, und durch seine bildhafte Veräußerung die Möglichkeit erhält, geordnet zu werden.


Aus Staub

Die Malerei ist für Wolfgang Hirsch eine Art Meditation, die dem Betrachter Auskunft gibt über eine momentane geistige und emotionale Haltung dieses Künstlers, der seiner Aussage nach am Entstehungsprozeß seiner Bilder gerne den Zufall teilhaben läßt: "Wenn ich ein Bild anfange, dann weiß ich nicht, wie es ausgeht."

Wolfgang Hirsch verzichtet bewußt auf eine Themenvorgabe. Das Thema ergibt sich während des Entstehungsprozesses in der Auseinandersetzung, in der Korrespondenz mit dem entstehenden Bild, das nach Fertigstellung seinen Namen, seinen Titel erhält.

Wolfgang Hirsch hat für sich in den meisten seiner Bilder die abstrakte Form gewählt. Er möchte sich nicht allzu gut, allzu deutlich verstanden wissen, sich nicht durchschaut fühlen. "Wenn sich mal ein Weiblein oder Männeken dazwischendrängelt, hab ich auch nichts dagegen," so der Künstler.


Nasobem, 1978 Acryl (Das Nasobem von Christian Morgenstern)

Allerdings sollen seine Bilder für den Betrachter nachvollziehbar sein, so verrückt sie auch scheinen mögen. Der Titel, die Namensgebung eines Bildes erhält die Funktion eines Schlüssels, mit Hilfe dessen der Betrachter sich Zugang verschafft. Der Betrachter soll, um den Künstler zu zitieren, "einen Nagel haben, an dem er die Sache aufhängen kann, nicht um die Gedanken und Gefühle in die Richtung zu bringen. Ich schreib' ihm ja nicht vor, was er sehen soll. Ich hab' das so gesehen, und vielleicht sieht er's ähnlich, aber vielleicht auch ganz was anderes."

Die Wahl der Farbgebung spielt für Hirsch, der sich vorzugsweise der Aquarell- und Gouachetechnik bedient, eine wesentliche Rolle. Farbe erfährt er als sinnliches Erlebnis. In der Wahl der Farben, ihrer Zuordnung, ihrer Zusammenstellung sieht der Künstler eine andere Möglichkeit, sich zu äußern, Stellung zu beziehen und entsprechende Emotionen im Betrachter freizusetzen.

Ob durch eine aggressive Farbgebung und dem Setzen starker Kontraste eine so formulierte Kritik in einem Bild vom Betrachter erkannt und verstanden wird, sei dahingestellt. Aber, so Wolfgang Hirsch, "ein Schreien tut ja manchmal auch ganz gut; dann fragen sich die Leute, warum schreit der, und die Frage ist ja auch schon was wert."

Wolfgang Hirsch malt aus sich heraus und nimmt dabei keine Rücksicht auf Gefälligkeit.

Während seiner Emigrationszeit in Schweden gab er das Malen lieber auf, als daß er sich selber verriet. Er wollte keine gefälligen Bilder malen, um seine Familie ernähren zu können. Der Beruf des Malers wäre ihm sonst wie jeder andere erschienen. "Dann kann man auch Heringe verkaufen," meint er, "oder mit sonstwas Geld verdienen. Und man hat ein besseres Gewissen dabei. Aber so hat man immer sein künstlerisches Gewissen, und das ist nicht vereinbar." Das künstlerische Gewissen läßt keine Kompromisse zu und stellt ständig in Frage.

Und so stellt der Künstler Wolfgang Hirsch selbst das eigene Harmoniebestreben in Frage, wenn er die folgende Betrachtung äußert:" Als mein Rasen so schön gepflegt war, jagte ich all den Butterblumen nach und stach sie aus, und dann fand ich das plötzlich furchtbar verrückt, das zu tun. Laß sie doch, dachte ich. Und das Risiko bei der Malerei ist so etwa das gleiche, daß man alle Butterblumen wegmacht und nur das läßt, das Harmonische. Das ist ein gefährlicher Gedanke. Was soll nun wachsen und was nicht."

Wolfgang Hirsch fragt, ständig und immer weiter. Und so ist auch seine Behauptung zu verstehen, wenn er sagt: "Nicht das Finden ist das Wichtige, sondern die Suche danach. Alles andere wäre Stagnation, und dann ist man tot."

Ich wünsche Ihnen, lieber Wolfgang Hirsch, daß Sie noch lange unterwegs sind, um zu finden, und Ihnen, liebe Gäste., wünsche ich einen erlebnisreichen Rundgang im Betrachten seiner Bilder.

Anna Haentjens
Uetersen, 18. September 1994

Mehr von Wolfgang Hirsch: www.w-hirsch.com

hagalil.com 06-09-07

 

 
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