"Zeyn muss ikh"
Ausstellung der Künstlergruppe MESHULASH
in der Villa Elisabeth, Berlin-Mitte anlässlich
der Jüdischen Kulturtage Berlin
2003
"Zeyn muss ikh" rief die blinde Maupie, eine legendäre
Bettlerin im jüdischen Amsterdam, wenn ihr anstatt Münzen Knöpfe zugeworfen
wurden.
"Zeyn muss ikh": Die Ausstellung von MESHULASH zeigt
Jiddisches jenseits des Schtetl-Kitsch-Klischees. Der Alltag im Schtetl sah ganz
anders aus; keine soziale Sicherheit und keine Bundesschatzbriefe. Doch der
Dibbuk gehörte zum Alltag.
Ein Dibbuk ist ein Geist, der in einen lebenden Menschen
eindringt und aus ihm mit "fremder Zunge" redet. Die Bezeichnung Dibbuk wurde
erst im 17. Jahrhundert aus der gesprochenen Sprache der deutschen und
polnischen Juden von An-Ski (1862-1920) in die Literatur übernommen. Dibbuk vom
hebräischen "dawok" bedeutet "klammern"; ein Dibbuk klammert sich an Menschen,
Plätze und Orte. "A feier zol im trefen" kein Alltag im Schtetl ohne
Verwünschungen.
"Zeyn muss ikh": Das Phantom des Dibbuks zeigt sich auf der
Ebene jiddischer Schimpfworte in den Bildern und Objekten von MESHULASH.
Jiddische Kultur geht im Nostalgischen nicht auf. Sie ist mit
den Überlebenden ins Exil gegangen und ist von den Nachkommen in die Gegenwart
transferiert; Jiddisch als Vehikel, den Identitätsverlust in der Moderne zu
beklagen. Jiddisch eignet sich vorzüglich, Alltagssprüche unserer "Mitbürger" zu
hinterfragen, fehlende Emphatie, Gleichgültigkeit und verdeckten Antisemitismus
aufzudecken. Die Rabbinerin, mit fliegendem Tallit auf dem Dach tanzend "Bin ikh mir a Fojgel"
ist so gegenwartsbezogen, wie nicht mit "verleygte Händ"
verschränkten Armen dazustehen, sondern sich einzumischen, ein aktuelles
Postulat der Gegenwart ist. Das Partikulare wird zum Allgemeinen, Jiddisch
trifft das Heute.
Titelliste:
- Anna Adam,
A bundistike
libshaft, 2003
- Anna Adam,
Namenloser,
80 x 80 cm, 1995
- Anna Adam,
Malka, 80 x 80
cm, 2001
- Norma Drimmer,
Mit verleygte Händ, Video und Fotoarbeiten
Installation, 2003
- Ronnie Golz,
Die Zerstörung des Tempels aus jiddischer Sicht,
2003
- Ronnie Golz,
Wir Nicht! Westjudentum trifft Ostjudentum in
Berlin, 2003
- Gabriel Heimler,
Allegorie des jiddischen Schimpfens, 166 x 61
cm, 2003
- Gabriel Heimler,
Der Dibbuk folgt nicht nach Jerusalem, 130 x
180 cm, 2003
- Salean A. Maiwald,
Meschugeneh mit Dibbuk (Triptychon), je 100
x 70 cm, 2003
- Sigurd Wendland,
Portrait Joseph Weizenbaum, 150 x 100 cm,
2002
- Sigurd Wendland,
Un eyder vos und eyder ven, bin ikh mir a
foygl, 150 x 100 cm, 2003
hagalil.com 14-05-04 |